Die Befreiung des KZ Dachau im April 1945 durch amerikanische Streitkräfte bedeutete kein Ende des Sterbens im Lager: Die im Dezember 1944 ausgebrochene Fleckfieber-Epidemie ließ sich nur sehr langsam eindämmen und kostete noch monatelang vielen ehemaligen Gefangenen das Leben. In der Erinnerungsliteratur ehemaliger Dachau-Häftlinge wird im Zusammenhang mit der Pflege der Typhus-Kranken häufig der Name Korbinian oder Leonhard Roth erwähnt. Roth war katholischer Priester, seit Mai 1943 in Dachau und hatte sich freiwillig zum Pflegedienst in der Krankenstation gemeldet. Wegen seiner Hilfsbereitschaft genoss er im Lager hohes Ansehen. Um so unverständlicher war vielen, dass er nach der Befreiung die Seelsorge der nun in Dachau internierten SS-Leute übernahm. Als dann 1948 auf dem ehemaligen KZ-Gelände ein Flüchtlings- und Vertriebenenlager eingerichtet wurde, blieb Roth weiter in Dachau, um auch diese neuen Lagerbewohner zu betreuen. Gleichzeitig setzte er sich energisch für den Erhalt des Geländes und der ehemaligen KZ-Bauten ein und scheute dabei auch nicht den offenen Konflikt mit den zuständigen Behörden und seinen kirchlichen Vorgesetzten. Seine Abberufung aus Dachau im Jahr 1960 musste Roth daher als "Strafmaßnahme" verstehen. Vermutlich beging er daraufhin Selbstmord. Der Autor des Buches, selbst Mitglied des Dominikanerordens, hat die Biographie eines bis heute nicht unumstrittenen Seelsorgers geschrieben, der den größten Teil seines Priesterlebens im Lager zugebracht hat. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf Roths Tätigkeit als Geistlicher in Dachau in den Jahren 1943 bis 1960. Um spätere Haltungen Roths und die sich immer wieder einstellenden Konflikte um seine Person besser verstehen zu können, fragt E. H. Füllenbach aber auch nach prägenden Ereignissen vor der Einlieferung Roths in Dachau.

Dominikaner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kirchengeschichte der Universität Bonn