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Selbstoptimierung

Praxis und Kritik von Neuroenhancement, Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie 23

Erschienen am 15.03.2017, 1. Auflage 2017
29,95 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593505794
Sprache: Deutsch
Umfang: 332 S.
Format (T/L/B): 2 x 21.4 x 14 cm
Einband: Paperback

Beschreibung

Werden Medikamente zur kognitiven Leistungssteigerung eingenommen, um schneller und konzentrierter zu arbeiten als andere? Ist Neuroenhancement der Versuch, sich Selbstdisziplin in Form von Tabletten zuzuführen? Die in Deutschland und den USA durchgeführte Studie gibt Aufschluss über die Motive der Konsumenten und das Unbehagen, das viele gegenüber Neuroenhancement empfinden. Dabei analysiert sie Neuroenhancement im Kontext der Wettbewerbsgesellschaft der Gegenwart. Ausgewählt für die Shortlist des Opus Primum - Förderpreis der VolkswagenStiftung für die beste Nachwuchspublikation des Jahres 2017

Autorenportrait

Greta Wagner, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Universität Frankfurt am Main.

Leseprobe

Vorwort Es bedarf keines großen Vorstellungsvermögens, um sich klarzumachen, dass Theodor W. Adorno mit nervöser Aufmerksamkeit all die Verhaltensweisen verfolgt hätte, die heute mit dem Begriff "Neuroenhancement" belegt werden; und nach allem, was seine soziologischen Schriften an Auskünften über die gesellschaftliche Lage des Subjekts enthalten, dürfen wir nahezu sicher sein, dass er in der damit gemeinten Bereitschaft, die eigene Leistungsfähigkeit mit Hilfe pharmakologischer Mittel zu steigern, das untrügliche Zeichen einer weiteren Intensivierung des selbstauferlegten Zwangs zur sozialen Anpassung gesehen hätte. Von solchen kritischen Reflexen und Voreinschätzungen nimmt die vorliegende Studie, die überarbeitete Fassung einer am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Frankfurt verteidigten Dissertation, erst einmal grundsätzlich Abstand; die Autorin, Greta Wagner, versucht vielmehr, zunächst ein möglichst vollständiges, die Perspektive der Betroffenen einbeziehendes Bild der neuen Verhaltensweise zu entwerfen, bevor sie sich behutsam an deren diagnostische Bewertung wagt. Das Ergebnis dieser vorsichtigen, viele Stimmen sammelnden Vorgehensweise ist eine umfassende, empirisch höchst anspruchsvolle Untersuchung zum viel beschworenen Phänomen des Neuroenhancements, die wir froh sind, in der Schriftenreihe des Instituts für Sozialforschung veröffentlichen zu können. Kaum etwas scheint uns heute besser geeignet, die Tradition einer kritischen Sozialforschung produktiv fortzusetzen, als unvoreingenommen und mit soziologischem Spürsinn den Versuch zu unternehmen, der Bedeutung neuartiger, gesellschaftlich auffällig wirkender Verhaltensweisen möglichst genau auf die Schliche zu kommen. Wenn auch weniger praktiziert, als in der Öffentlichkeit gerne angenommen, stellt die private Einnahme von verschreibungspflichtigen Medikamenten zum Zweck der Steigerung kognitiver Leistungsfähigkeiten gegenwärtig fraglos ein solches auffälliges, zunächst vielleicht bizarr erscheinendes Verhaltenssyndrom dar. Die Absicht der Studie von Greta Wagner ist es, dieses neue Phänomen in seiner sozialen Bedeutung zu entschlüsseln, indem es aus der Perspektive verschiedener Akteure als mögliches Symptom einer veränderten Selbstbeziehung der Subjekte untersucht wird; den roten Faden der Rekonstruktion bildet dabei die Frage, ob und, wenn ja, inwiefern die vermehrte Nutzung derartiger leistungssteigender Medikamente in einem kausalen Zusammenhang mit jenen Zwängen zur individuellen Selbstoptimierung steht, die heute gemeinhin als ein charakteristischer Grundzug des gegenwärtigen Kapitalismus gedeutet werden. Entsprechend der umfangreichen Aufgabe, die Greta Wagner sich damit gestellt hat, muss sie in ihrer Studie thematisch sehr weit ausholen; sowohl die Beschaffenheit der verwendeten Medikamente selber, die Perspektive der Öffentlichkeit auf die damit einhergehenden Praktiken und schließlich die Selbstinterpretationen der Nutzer müssen untersucht werden, um am Ende nach Möglichkeit zu einer überzeugenden Gesamtdeutung des Phänomens gelangen zu können. Mehr noch, alle diese Schritte verlangen ihre je eigenen Zugangsweisen, so dass verschiedene methodische Register zu ziehen sind, die ihrerseits aber doch wieder in einen stimmigen Erklärungsrahmen integriert werden müssen. Die Autorin löst die damit angedeuteten Herausforderungen, indem sie in Anschluss an Luc Boltanski ihre Studie nach dem Muster einer "Soziologie der Kritik" versteht; in einem solchen Ansatz werden die gesellschaftlichen Handlungsfelder als Rechtfertigungsordnungen begriffen, deren häufig umstrittenen Prinzipien die als kompetent verstandenen Subjekte die normativen Ressourcen entnehmen können sollen, um ihr eigenes Verhalten in dem entsprechenden Feld vor sich selbst und anderen zu begründen. Auf diese Weise können die öffentlichen Debatten um das Neuroenhancement, die ja einen wesentlichen Bezugspunkt der vorliegenden Studie bilden sollen, zugleich als normative Ho

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