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Der zwölfte Mann ist eine Frau

Mein unerhörtes Leben als Fußball-Fan

Erschienen am 14.05.2013
14,99 €
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783827011367
Sprache: Deutsch
Umfang: 190 S.
Format (T/L/B): 2.2 x 20.6 x 12.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Wenn du ins Stadion gehst, kommst du nach Hause: Wiebke Porombka erzählt von ihrem Leben als Fan und als Frau. Und was der Fußball uns über die Welt verrät. Ein außergewöhnliches Buch über eine Leidenschaft, die niemals zu Ende geht. Alles begann, als Völler zu Werder kam. Aber sie musste die Klappe halten, wenn sie mit ihrem Bruder "Sportschau" gucken wollte, und fing sich eine, wenn sie "blöd quatschte". Mädchen und Fußball - in den achtziger Jahren, als Wiebke Porombka zum Fan wurde, war das bestenfalls eine harmlose Verirrung. Und heute, wo Millionen Mädels mit Fähnchen im Haar die Eventmeilen bevölkern? Ist die Verirrung nur umso größer. Denn echte Fans, so zeigt Porombka in ihrem Buch, bleiben allein, auch wenn Tausende um sie herumstehen. Im Stadion ist es fast wie am Meer: Man wird verschluckt, und es gibt keinen Anfang und kein Ende mehr ... Anhand eines Spieltags beschreibt die Autorin, was es heißt, Fan zu sein. Und dazu noch Frau. Sie erzählt von Männern, die gern Ahnung haben und mit Statistik protzen; von ahnungslosen Frauen, die sich fragen, ob Jogi Löw schwul ist; von den magischen fünfzehn Minuten vor dem Anpfiff und der entscheidenden Viertelstunde nach der Pause; weshalb Frauenfußball bescheuert ist - und warum das Spiel wieder Typen wie Borowka braucht.

Autorenportrait

Wiebke Porombka, geboren 1977 in Bremen, ist Werder-Fan, seit Völler an die Weser kam. Fünfzehn Spielzeiten später studierte sie Neue deutsche Literatur und Philosophie in Berlin und promovierte im selben Jahr, als Frings nach Toronto wechselte, über die "Medialität urbaner Infrastrukturen". Seit 1996 arbeitete sie als Dramaturgie- und Regieassistentin und seit 2005 als Moderatorin und Literaturkritikerin, u. a. für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.

Leseprobe

1. Schmerz, lass nicht nach oder: Wie ich einmal Schläge kassierte, wegen einer roten Karte Fußball mag ein durchaus passendes Spiel für harte Mädels sein, als Spiel für feinsinnige Knaben ist es wohl kaum geeignet. (Oscar Wilde) Die erste Ohrfeige meines Lebens verpasste mein Bruder mir am 13. Oktober 1982. Ich saß im Frotteeschlafanzug auf dem Sofa, beseelt vom Glück, nicht wie sonst nach der 'Sesamstraße' ins Bett gehen zu müssen, sondern mit meinem Bruder und meinem Vater das Freundschaftsspiel England-Deutschland sehen zu dürfen. Während die deutsche Mannschaft in späteren Jahren vor allem in roten oder schwarzen Auswärtstrikots aufgelaufen ist, trug sie Anfang der Achtziger grüne Hemden, wenn das Trikot des Heimteams zu ähnlich war. (Ich bin mir nicht sicher, was es zu bedeuten hat, dass seit 2012 auswärts wieder in Grün gespielt wird. Grundsätzlich vermute ich aber: Es kann nur etwas Gutes sein.) Zu Trikots ließe sich überhaupt einiges sagen. Schaut man sich heute Spiele aus den Siebzigern an, wird einem unmittelbar schwindelig angesichts der gewagten, direkt unter Hintern und Gemächt endenden Hosen. Wenn ich die Bilder sehe, von Günter Netzer mit fliegenden Haaren und knappem Höschen oder dem zart gelockten Beckenbauer in entsprechender Montur, finde ich es ziemlich merkwürdig, dass damals nicht viel mehr Frauen Fußball geguckt haben als heute. Ich glaube eher: Die Frauen haben auch damals geschaut und zwar ziemlich genau. Sie haben nur nicht darüber gesprochen. An Einzelheiten des Spielverlaufs England gegen Deutschland erinnere ich mich nicht. Aber an die grünweißen Trikots. Grün-weiß. Das gab es für mich nur einmal auf der Welt. An dieser Überzeugung hat sich bis heute nichts geändert. (Gladbach, meinetwegen, das lasse ich noch durchgehen, aber da kommt ja noch das Schwarz hinzu. Wolfsburg, diese seelenlose Vorort- Truppe, halte ich in jeder Hinsicht für indiskutabel, nicht erst seit Magath. Und der Name Greuther Fürth kommt mir allenfalls in den Sinn, wenn ich an die Regionalliga denke. Das passiert eher selten.) Grünweiß, das war Werder. Das war die Mannschaft, in deren Stadt ich geboren und aufgewachsen war. Die Mannschaft mit den einzig natürlichen Vereinsfarben, grünweiß, wie das Spielfeld. Das war die Mannschaft, deren Vereinswappen meinen Anfangsbuchstaben trug. Jahrelang habe ich meinen Vornamen mit einem mehr oder weniger gekonnten WerderW geschrieben. Das weiße W auf grünem Grund war meine Signatur, praktischerweise in umgekehrter Farbgebung. Ich würde nicht sagen, dass ich damals, als Deutschland im WembleyStadion gegen England spielte und ich im Schlafanzug neben meinem Bruder auf dem Sofa saß, schon Fußball-Fan war. Ich war schlicht in dem Wissen aufgewachsen, dass man Werder Bremen anfeuert, wenn Werder Bremen spielt. Nach meinen ersten zwei oder drei Einwürfen hatte mein Bruder mich noch einigermaßen genervt zurechtgewiesen. Als aber zum dritten Mal mein 'Werder vor, noch ein Tor!'-Ruf durchs Wohnzimmer geschallt war, erhielt ich eine seiner gefürchteten, weil äußerst schmerzhaften Backpfeifen. Das fand ich sehr seltsam. Vor allem auch deshalb, weil eines dieser grünen Trikots von Norbert Meier, Werders Linksfuß, getragen wurde. Mein Bruder neun Jahre älter als ich schlug mich selten ohne Grund. Er schlug mich, wenn ich seine neue MorrisseyPlatte ohne Hülle auf das Bett legte, weil ich in seinem Zimmer ein bisschen Winnetou hören wollte. Und dann gleich noch mal, wenn ich als Rache für die PlattenPrügel, die ich einstecken musste, heimlich ein paar Teile aus seinem Modellbaukasten zerbrach. Was er natürlich immer herausfand. Meistens dann, wenn ich schon nicht mehr damit rechnete. Wenn ich keine Ruhe gab und bettelte, weil ich mit ihm und seinen Freunden Fußball spielen wollte, tat es auch ein gezielter Treffer ins Gesicht mit einem nassen Lederball. Noch heute, wenn ich einen Spieler beim missglückten Kopfba